Dieses bemerkenswerte Haus im Haselhorsthof wird nahezu in jedem Winsener Stadtführer gezeigt. Doch das Baujahr des heutigen Gebäudes wird viele überraschen: Es wurde erst 1978 erbaut! Trotzdem hat die Geschichte dieses Hauses viel zu sagen, denn hier gab es ein echtes Winsener Wirtschaftswunder! In der Literatur wird dieses Haus als das „Stödtersche Haus“ beschrieben. Willi Stödter lernte das Tischlerhandwerk und wurde zu einem gefragten Möbeltischler. Er kämpfte im Ersten Weltkrieg an der Front und geriet in britische Gefangenschaft. Dort erkannten die Briten sein Talent und kommandierten ihn zum Möbelbau nach Sheffield. Nach dem Krieg hat er seine Tischlerei auf Möbel für den Export nach Großbritannien spezialisiert. Dabei entwickelte er ein Verfahren, seine hochwertigen Möbel transportgerecht in Bausatzweise zu liefern. Er ließ sein Werkstattgebäude im Haselhorsthof aufwändig erweitern. Es beherbergte eine Zimmerei, ein Sägewerk und Werkstätten für Holzbildhauer, Schnitzer und Tischlerräume über mehrere Etagen. Stödter war ein Winsener Original mit Bart und gebeugter Haltung, der durch seine besondere Sprachweise auffiel: Er war recht wortkarg und weigerte sich, das damals übliche Plattdeutsch zu sprechen. Doch das machte ihn nicht unbeliebt, denn in der schweren Zeit der 1920er Jahre bot er vielen jungen Menschen, die aus ganz Deutschland nach Winsen kamen, Arbeit. Wie viele Mitarbeiter er insgesamt zur Blütezeit seiner Firma beschäftigte, ist heute unbekannt, aber allein über 20 Schnitzer arbeiteten in seinen Werkstätten. 1923 wurde das repräsentative „Stödtersche Haus“ in der Schuhstraße, heute Haselhorsthof, fertiggestellt. Willi Stödter verzierte es mit aufwändigen Schnitzereien in den Balken, Fenstern und Türen. Doch in den 1930er Jahren war der Boom vorbei und Stödter fertigte nur noch Möbel für die hiesige Kundschaft. In einem Teil der Räumlichkeiten war ab 1955 die Arzneimittelfabrik Artesan untergebracht, die 1973 nach Lüchow zog. In den 1970er Jahren starb Willi Stödter. Die Werkstatt wurde 1977 im Rahmen der Stadtsanierung mit den Nachbargebäuden abgerissen, dabei wurden die Balken, Türen und Fenster eingelagert. Der heutige Gebäudekomplex wurde als Altenwohnbereich von der Nordwestdeutschen Siedlungsgesellschaft, überwiegend in Betonweise, erbaut. Dabei hat man den Nachbau des „Stödterschen Hauses“ vom alten Standort weg, leicht Richtung Westen zur Runden Straße platziert, die Fassade nachgebildet und die eingelagerten Werke von Willi Stödter wieder eingebaut. In diesem Hausteil sind in den Obergeschossen Wohnungen, im Erdgeschoss ein Gemeinschaftsraum. Durch die reich verzierte Tür kann man übrigens nicht durchgehen, dahinter ist eine Wand.

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